Zwischen Zweien (Kurzfilm)
TRIGGER-WARNUNG: Dieser Artikel behandelt BDSM, Rape Play und Rape Culture.
Reflexionen über meinen Kurzfilm „Zwischen Zweien“
(gedreht: September 2011, 8. Internationales Kino Kabaret Berlin)
2011 habe ich einen Kurzfilm gedreht, in dem es um Rape Play ging. Damals war mein Ziel eine Sexualpraktik zu zeigen, die nach außen hin nicht safe wirkt, es aber eigentlich ist, um so die Akzeptanz für BDSM zu stärken. Heute weiß ich, dass das so nicht funktioniert. Was ich produziert hab, war Rape Culture.
Warum ich das hier schreibe? Zum einen, weil ich meinen Blog dafür nutzen will meine eigenen Filme zu reflektieren, zum anderen, weil dieser Film die zweit meisten Klicks hatte (obwohl er technisch ziemlicher Trash war) und ich ein paar mal kritisch darauf angesprochen wurde. Ich habe den Film inzwischen auf Vimeo und Youtube gelöscht. Ich werde die problematischen Punkte erläutern und Ideen sammeln, wie stattdessen ein Film über Rape Play aussehen könnte.
Aber zunächst eine Zusammenfassung des Plots: Ein Typ verfolgt eine Frau bis in eine öffentliche Toilette. Was dort geschieht, sieht aus wie eine Vergewaltigung. Später stellt sich jedoch raus: Das war abgemacht und konsensuell. Beide gehen Arm in Arm nach hause. Was stimmt hier nicht?
1. Rape Play als Überraschungseffekt
Sexualisierte Gewalt zeigen, so Leute schockieren oder triggern und am Ende stellt sich heraus: Ist ja nur ein Spiel. Eine gefährliche Irreführung. Vergewaltigung mit Rape Play gleichzusetzen, bzw. es gleich aussehen zu lassen, ist schon ein Problem, da es eben nicht das Gleiche ist und nicht gleich dargestellt werden darf. Das kann sehr leicht als Verharmlosung verstanden werden. (Nach der sexistischen Logik: „Manche stehen ja sogar drauf…“)
2. Keine Thematisierung von Konsens
Rape Play ist nicht gleich safe! So wie Sex nicht per se safe ist. In einigen Foren schreiben Menschen, die regelmäßig Rape Play praktizieren von Problemen, die aufgetaucht sind: Von Kontrollverlust, „Sub-drop“, Grenzüberschreitungen, Schwierigkeiten das Safeword auszusprechen und schlimmerem. Viele schreiben auch davon, was sie mit ihren Partner_innen tun, damit es nicht zu Grenzüberschreitungen kommt. Es ist nicht irgendeine Sexualpraktik, sondern eine die viel Vertrauen und Beziehungsarbeit erfordert. Mein Film wird dem Thema somit nicht gerecht: Das einzige, was die Zuschauer_innen am Ende erfahren ist, dass das Spiel vorher abgesprochen war. Eine Absprache ist jedoch nicht ausreichend! Es ist sehr wichtig das zu betonen, denn man braucht sich nur Gerichtsprozesse anschauen, in denen nicht zu Gunsten der Überlebenden entschieden wurde, mit der Begründung: Sie seien doch freiwillig zu dem Date gegangen, sie hätten doch zugestimmt. Eine Zustimmung ist nicht gleich Konsens, denn Menschen können ihre Meinung ändern, Grenzen können sich verschieben usw. Das scheint aber nicht die allgemeine Auffassung zu sein.
Es gab einen Fall, wo eine Frau ihren Freund wegen Vergewaltigung angezeigt hat, dieser jedoch darauf beharrte, dass er lediglich ihre Vergewaltigungsfantasie erfüllt hätte. Sie gab zu, dass sie über Rape Play gesprochen hatten. Sie hatte dem Spiel jedoch nicht zugestimmt, ihm kein Safeword genannt und auch nichts genaueres mit ihm geplant. Auf Youtube fühlte sich eine Vloggerin dazu berufen den Kerl in Schutz zu nehmen und betrieb Victim Blaming (das Video ist inzwischen verschwunden). Sie meinte, ihn könne ja keine Schuld treffen, da sie ihm kein Safewort genannt hat, anstatt ihn zu fragen, wie er es wagen konnte so etwas zu tun, ohne, dass irgendetwas abgemacht war. Es ist wieder die gleiche Logik: die Betroffene hat einen diffusen Wunsch geäußert und das verstand die Vloggerin als akzeptablen Konsens. Einen Film über Rape Play zu drehen, in dem keine Vorbesprechung, Planung, Konsensfindung, kein Safewort und auch keine Aftercare vorkommt, halte ich deshalb für gefährlich.
3. Keine Agency
Die Protagonistin in meinem Film wurde als Opfer gezeichnet. Die Zuschauer_innen erfahren nichts über ihre Perspektive, sehen sie weder handeln, noch entscheiden.
Wie könnte ein Film über Rape Play stattdessen aussehen?
Ein Film über Rape Play könnte damit beginnen, dass das Paar zum Beispiel am Frühstückstisch sitzt, Pläne schmiedet und über Bedürfnisse und Konsens spricht. Vielleicht flüstern sie einander verschiedene Szenarien ins Ohr. Wichtig wäre mir zu zeigen, welche Beziehung sie zu einander haben und wie das Vertrauensverhältnis aussieht. Vielleicht lernt die Frau auf der Suche nach der Erfüllung ihrer Fantasie, jemanden kennen, dem sie vertrauen kann. Er spielt mit offenen Karten und zeigt ihr, wo er Probleme befürchtet, geht keine Kompromisse ein. Er zeigt ihr: Höchste Priorität hat ihre Sicherheit.
Erfrischend wäre es, das Spiel auch tatsächlich als Spiel zu zeigen: Also, kein perfekter Fetisch-Sex. Welche Pannen kann es geben? Wann wird der aktive Part vorsichtiger? Wie viel passiert wirklich und wie viel bleibt dem Kopfkino vorbehalten? Fällt das Safewort? Geht es danach weiter (weil ein Safewort kein Abturner sein muss)? Wie sieht die Aftercare aus? Was lernen sie fürs nächste Mal?
Ein extrem interessanter, reflektierender Text. Gerade weil ich mich vor kurzem sehr an einem Text zu rape play gestört habe, der genau diese konsensuellen Vorbesprechungen *nicht* drin hatte, sondern extrem verstörend war und die aktiv handelnde Person wirklich so eine ekelhafte „ich kann ja einschätzen, dass sie es wollte!“-Einstellung hatte, ist so etwas sehr wichtig und beruhigend für mich zu lesen. Es geht eben auch anders!
Ich finde allerdings auch die Frage sehr schwierig, ob rape als Fantasie so erstmal funktionieren kann und ohne diese vorherigen Klärungen eine Daseinsberechtigung hat. Oder generelle Beschreibungen von grenzüberschreitendem Verhalten, die erotisiert werden, wie es z.B. „50 Shades of Grey“ tut. Als Anleitung für BDSM ist es Schrott, darüber braucht wohl niemand mehr diskutieren; aber solange Menschen darüber aware sind, dass das nicht so laufen sollte, ist es dann in Ordnung das quasi pornografisch zu nutzen?
In meinem Empfinden hat das auch etwas mit Zielsetzung zu tun; da hatte dein Film natürlich eine ganz andere und darum weiche ich jetzt vielleicht auch etwas vom Thema ab. Mein Gedanke ist in etwa so: Als pornofiktionelle Darstellung, als Fantasie funktionieren viele nichtkonsensuelle Vorstellungen nun mal für gefühlt extrem viele Menschen ziemlich gut. Eine Kontextualisierung als „eigentlich steckt dahinter aber consent“ ist in diesem Fantasie- und Porn-Kontext von vielen mit denen ich gesprochen habe nicht gewünscht. Gerade wenn eins sich im Kopf etwas ausmalt, wird dieser Schritt oft übersprungen und ist in dem Sinne ja auch nicht problematisch, weil der fantasierenden Person ja klar ist, dass es sich um eine Fantasie handelt. Bei pornografischen Medien wird dies schwieriger, schon bei Texten – reicht es aus, dass z.B. meine erotische Fanfiction in einem Fantasy- oder SciFi-Kontext angesiedelt ist, damit Menschen die Einstellungen nicht auf reale Personen beziehen und real grenzüberschreitendem Verhalten Vorschub leisten? Mein Bauchgefühl sagt nein, ich finde es aber auch schwierig Leute für ihre reinen Fantasien zu verurteilen.
Und natürlich: bei Bildmaterial wird es nochmal schwieriger. Da sehe ich in dem Ansatz, den z.B. Kink.com betreibt (das pornografische Video ist umschlossen von einer Vor- und Nachbesprechung, die „out of character“ stattfinden und explizit die Grenzen der Hauptdarstellerin besprochen), schon mal einen Schritt in die richtige Richtung – bin aber dennoch skeptisch, weil im fertig geschnittenen Video *niemals* eine Situation gezeigt wird, in der ein safeword benutzt und dieses auch respektiert wird. Macht ja irgendwo Sinn, aber bringt auch niemandem diesen in der Praxis wichtigen Teil bei.
Hier könnte man viel viel VIEL mehr tun, in jeglichem Kontext. Die Darstellung von „jemand stößt an eine Grenze und dies wird respektiert/darauf wird eingegangen“ findet sich viel zu selten, und dadurch wird im Grunde genommen ein safeworden auch tabuisiert. Kennst du Texte oder Filme, in denen sich so etwas findet, und das Thema von „an Grenzen stoßen“ auf diese Weise positiv verarbeitet wird?
Ich finde vieles sehr interessant uns spannend, was du ansprichst. Die Schwierigkeit liegt wohl darin, dass BDSM mit Szenarien spielt, die nicht konsensuell sind, jedoch konsensuell ist (hoffentlich). Die reine Fantasie ist dann eben nicht konsensuell und es ist meiner Meinung nach voll in Ordnung, wenn Menschen Sachen konsumieren, die diese Fantasie befriedigen, wenn ihnen dabei klar ist, dass das in der Realität anders ablaufen muss. Gleichzeitig denke ich, es gibt ja auch so etwas wie Film- und Pornosozialisation: Wenn ich mein Leben lang gesehen habe, wie erotisiert wird, dass sich Frauen vorm Sex zieren oder medial nur perfekten Fetisch-Sex gesehen habe (oder darüber gelesen habe), komm ich mir vielleicht komisch vor, wenn ich Grenzen ziehen will und muss: Weil das als unerotisch gilt. Da ist die Richtung von Kink.com schon gut, um wenigstens zu zeigen: Es gibt ein Vorher und Nachher, das gehört immer dazu, und die Darsteller_innen haben ein Wörtchen mitzureden. Pornografie hat aber meiner Meinung nach noch mehr Potenzial.
Ich hab mal in einer alten Siegessäule aus den 80ern, also als HIV ein sehr aktuelles Thema war, einen Artikel gelesen mit dem Titel „Ich hasse Kondome“: Der Autor hat beschrieben, dass er leider keine andere Wahl hat als Kondome zu benutzen und es deshalb nicht darum gehen sollte, sich zu überwinden, sie zu benutzen, sondern sich eine Erotik vorzustellen, in der Kondome dazu gehören und kein Abturner sind. Das hat mich auf die Frage gebracht, wie die Darstellung von konsensuellem BDSM-Sex trotzdem reizvoll sein kann ohne der „reinen Fantasien“ etwas weg zu nehmen. Vielleicht indem die Fantasie als Fantasie markiert gezeigt wird (andere Farbeinstellung, whatever) und der Film immer mal wieder zu der Realität zurück switcht, wo auch mal Pannen und Safewörter vorkommen können und auf die Beziehung der Spielpartner_innen eingegangen wird? Da wär die Frage weniger: „Hat die Fantasie eine Daseinsberechtigung?“, sondern: Wie können wir uns BDSM-Porno noch denken, außer die nicht konsensuellen Fantasien zu reproduzieren? Da geht noch mehr!
Bei meinem eigenen Film bin ich vielleicht etwas strenger, weil er ja kein Porno war, sondern ein Kurzfilm mit der Intention über eine Sexualpraktik aufzuklären, da finde ich die fehlende Auseinandersetzung mit der Praktik und Konsens echt sehr fatal und denk mir: Noch so einen Film über BDSM braucht die Welt nicht. Wie du schon sagtest: Die Zielsetzung ist die Frage.
Es gibt viel alternative und feministische Pornografie, die Sachen in die Richtung versucht… leider bin ich so schlecht mit Titeln. 😛 Ich kann das Pornfilmfestival in Berlin empfehlen (auch wenn da nicht alles so cool ist) und bei Laura Merritt gibt es immer mal wieder einen Porno-Salon, falls du das noch nicht kennst (wohnst du eigentlich in Berlin?), wo sie queer*feministische Filmchen zeigt und bespricht. Sie kann auch sicher viel empfehlen.
P.S Was ist der Unterschied zwischen pornografisch und pornofiktionell? Ist das eine die „reine Wichsvorlage“ und das andere ein Film mit expliziten Szenen oder ein Roman? Ich weiß nicht, ob ich deine Unterscheidung da so richtig verstanden habe.
Danke für deine Antwort; das sind ja mal so einige Ansätze! Ich muss gestehen, dass ich den Gedanken, Dinge die man (noch) als unsexy empfindet quasi bewusst zu erotisieren etwas seltsam finde, also wie bei den Ko domen. Ich bin neugierig, wie sich das umsetzen ließe 😀 Das klingt für mich wie ein bewusstes antrainieren wollen von Fetischen und das hab ich noch nicht funktionieren sehen… bin also skeptisch.
Ich komme aus NRW, da ist Berlin leider sauweit weg und ich verpasse sicherlich viele Veranstaltungen in die Richtung ^^ Aber vielleicht lassen sich entsprechende Sachen ja auch im Netz irgendwo finden…
Zu „pornofiktionell“: ich meinte das im Sinne einer Unterscheidung nach Medium. Pornografisch stelle ich mir halt als Bild oder Film vor, weil „grafisch“. Pornofiktionell wäre eben 50SoG, Erorikliteratur, allerlei Fanfiction, manche Writings auf Fetlife usw.
Wichtig ist, dass diese explizit als unecht gelabelt sind, als Fiktion. Eine direkte „true story“-Beschreibung von Rape auf FL ist halt einfach nur ekelhaft, und zwar egal ob der Autor einen realen Umstand beschreibt oder eine Fiktion. Es ist wichtig, dass dem Lesenden klar ist, dass es sich um Fiktion handelt, wenn darin problematisches Verhalten als etwas geiles abgefeiert wird. Macht das den Begriff deutlich?
Hm. Vielleicht hast du mich etwas falsch verstanden: Wenn ich darüber nachdenke, wie BDSM-Porno mit konsensuellem Sex reizvoll sein könnte, trainiere ich niemandem etwas an. Wen’s langweilt, den langweilt’s halt. Ich stelle mir lediglich die Frage: Kann denn das gleiche BDSM-Szenario immer noch sexy sein, wenn 1 sieht, dass es konsensuell ist?, und sehe es eher als Herausforderung für einen eigenen Film. Es ist mehr eine Suche nach mehr Ausdrucksformen und Darstellungen von BDSM. Sicherlich gibt es einige, die sich nur die „reine Fantasie“ anschauen möchten, aber BDSM kann schließlich so vieles und vielfältig sein. 😉 Was du als „bewusst erotisieren“ bezeichnest, würde ich eher als neugierig machen sehen: So wie mich irgendein Fetisch, von dem ich nur etwas gelesen habe, neugierig machen kann, kann es vielleicht auch so ein Film (ob als Filmemacherin oder Zuschauerin). Vielleicht war das Beispiel mit dem Kondom blöd, weil es dabei um Ansteckungsgefahr geht. Dennoch sehe ich Erotik und auch als etwas, das gesellschaftlich konstruiert ist: Was hier als erotisch gilt, muss es woanders nicht sein, oder während es in den 80ern hieß „Oh, nein, Kondom!“, ist Safer Sex für die Kiddies heutzutage normaler geworden.
Ich guck mal, ob ich ein paar Links finde… 🙂 Gerade fällt mir nix ein, aber vielleicht lande ich mal im Porno-Salon von Laura Merritt und lass mir ein paar Titel nennen.
Die Unterscheidung „pornofiktionell“ und „pornografisch“ macht jetzt schon mehr Sinn, danke.
Zu dem Problem mit Kondomen: Es gibt ja schon auch Leute mit Latex-Fetisch 😉
Ernsthafte Vorschläge:
1. Richtige Kondomgrößen hernehmen mindert die Abneigung weil „unbequem“ oder „man spürt weniger“… Die meisten Schwänze tragen zu kleine Kondome, ich stell mir das in etwa so vor wie einen zu engen Latexhandschuh zum Abspülen zu tragen…
2. Damit das Überziehen beim Sex nicht mehr so stört oder in Pornos auf Schwänzen einfach gar kein Gummi verwendet wird, bzw der Teil des Überziehens rausgeschnitten wird: Mit dem Mund überziehen. Lässt sich super als Einstieg zum blasen verbinden. Funktioniert in der Regel super!
(Meine Erfahrung bzgl den beiden Punkten liegt schätzungsweise irgendwo im unteren dreistelligen Bereich, was vermutlich höher als Durchschnitt mit Mitte zwanzig ist.)
Wenn ich mir Kink.com und andere Pornos anschaue, dann überspring ich die langweiligen Anfangsminuten immer… Insofern wäre das Einklammern von Konsens nicht so effektiv. Besser find ich diese Farbtünch Idee von herzbrille… Auch wenn ich eigentlich einen farbstichigen Porno ablenken fände.
Ja echt knifflige Frage, wie man das in nicht-dialogischen Medien umsetzen kann…
Noch dazu, wenn man wie ich sich regelmäßig ein #fail verdient, wenns um Konsens und anderer Leute Grenzen erkennen im realen Leben geht… (Gibts dazu eigentlich Übungsworkshops, so wie für Tanzen und Kampfsport und Yoga auch Kurse macht?!)