Zwischen Zweien (Kurzfilm)

Zwischen Zweien (Kurzfilm)

27. Dezember 2014 5 Von Herzbrille

TRIGGER-WARNUNG: Dieser Artikel behandelt BDSM, Rape Play und Rape Culture.


Filmstill aus dem Kurzfilm „Zwischen Zweien“

Reflexionen über meinen Kurzfilm „Zwischen Zweien“
(gedreht: September 2011, 8. Internationales Kino Kabaret Berlin)

2011 habe ich einen Kurzfilm gedreht, in dem es um Rape Play ging. Damals war mein Ziel eine Sexualpraktik zu zeigen, die nach außen hin nicht safe wirkt, es aber eigentlich ist, um so die Akzeptanz für BDSM zu stärken. Heute weiß ich, dass das so nicht funktioniert. Was ich produziert hab, war Rape Culture.

Warum ich das hier schreibe? Zum einen, weil ich meinen Blog dafür nutzen will meine eigenen Filme zu reflektieren, zum anderen, weil dieser Film die zweit meisten Klicks hatte (obwohl er technisch ziemlicher Trash war) und ich ein paar mal kritisch darauf angesprochen wurde. Ich habe den Film inzwischen auf Vimeo und Youtube gelöscht. Ich werde die problematischen Punkte erläutern und Ideen sammeln, wie stattdessen ein Film über Rape Play aussehen könnte.

Aber zunächst eine Zusammenfassung des Plots: Ein Typ verfolgt eine Frau bis in eine öffentliche Toilette. Was dort geschieht, sieht aus wie eine Vergewaltigung. Später stellt sich jedoch raus: Das war abgemacht und konsensuell. Beide gehen Arm in Arm nach hause. Was stimmt hier nicht?

1. Rape Play als Überraschungseffekt

Sexualisierte Gewalt zeigen, so Leute schockieren oder triggern und am Ende stellt sich heraus: Ist ja nur ein Spiel. Eine gefährliche Irreführung. Vergewaltigung mit Rape Play gleichzusetzen, bzw. es gleich aussehen zu lassen, ist schon ein Problem, da es eben nicht das Gleiche ist und nicht gleich dargestellt werden darf. Das kann sehr leicht als Verharmlosung verstanden werden. (Nach der sexistischen Logik: „Manche stehen ja sogar drauf…“)

2. Keine Thematisierung von Konsens

Rape Play ist nicht gleich safe! So wie Sex nicht per se safe ist. In einigen Foren schreiben Menschen, die regelmäßig Rape Play praktizieren von Problemen, die aufgetaucht sind: Von Kontrollverlust, „Sub-drop“, Grenzüberschreitungen, Schwierigkeiten das Safeword auszusprechen und schlimmerem. Viele schreiben auch davon, was sie mit ihren Partner_innen tun, damit es nicht zu Grenzüberschreitungen kommt. Es ist nicht irgendeine Sexualpraktik, sondern eine die viel Vertrauen und Beziehungsarbeit erfordert. Mein Film wird dem Thema somit nicht gerecht: Das einzige, was die Zuschauer_innen am Ende erfahren ist, dass das Spiel vorher abgesprochen war. Eine Absprache ist jedoch nicht ausreichend! Es ist sehr wichtig das zu betonen, denn man braucht sich nur Gerichtsprozesse anschauen, in denen nicht zu Gunsten der Überlebenden entschieden wurde, mit der Begründung: Sie seien doch freiwillig zu dem Date gegangen, sie hätten doch zugestimmt. Eine Zustimmung ist nicht gleich Konsens, denn Menschen können ihre Meinung ändern, Grenzen können sich verschieben usw. Das scheint aber nicht die allgemeine Auffassung zu sein.

Es gab einen Fall, wo eine Frau ihren Freund wegen Vergewaltigung angezeigt hat, dieser jedoch darauf beharrte, dass er lediglich ihre Vergewaltigungsfantasie erfüllt hätte. Sie gab zu, dass sie über Rape Play gesprochen hatten. Sie hatte dem Spiel jedoch nicht zugestimmt, ihm kein Safeword genannt und auch nichts genaueres mit ihm geplant. Auf Youtube fühlte sich eine Vloggerin dazu berufen den Kerl in Schutz zu nehmen und betrieb Victim Blaming (das Video ist inzwischen verschwunden). Sie meinte, ihn könne ja keine Schuld treffen, da sie ihm kein Safewort genannt hat, anstatt ihn zu fragen, wie er es wagen konnte so etwas zu tun, ohne, dass irgendetwas abgemacht war. Es ist wieder die gleiche Logik: die Betroffene hat einen diffusen Wunsch geäußert und das verstand die Vloggerin als akzeptablen Konsens. Einen Film über Rape Play zu drehen, in dem keine Vorbesprechung, Planung, Konsensfindung, kein Safewort und auch keine Aftercare vorkommt, halte ich deshalb für gefährlich.

3. Keine Agency

Die Protagonistin in meinem Film wurde als Opfer gezeichnet. Die Zuschauer_innen erfahren nichts über ihre Perspektive, sehen sie weder handeln, noch entscheiden.

Wie könnte ein Film über Rape Play stattdessen aussehen?

Ein Film über Rape Play könnte damit beginnen, dass das Paar zum Beispiel am Frühstückstisch sitzt, Pläne schmiedet und über Bedürfnisse und Konsens spricht. Vielleicht flüstern sie einander verschiedene Szenarien ins Ohr. Wichtig wäre mir zu zeigen, welche Beziehung sie zu einander haben und wie das Vertrauensverhältnis aussieht. Vielleicht lernt die Frau auf der Suche nach der Erfüllung ihrer Fantasie, jemanden kennen, dem sie vertrauen kann. Er spielt mit offenen Karten und zeigt ihr, wo er Probleme befürchtet, geht keine Kompromisse ein. Er zeigt ihr: Höchste Priorität hat ihre Sicherheit.

Erfrischend wäre es, das Spiel auch tatsächlich als Spiel zu zeigen: Also, kein perfekter Fetisch-Sex. Welche Pannen kann es geben? Wann wird der aktive Part vorsichtiger? Wie viel passiert wirklich und wie viel bleibt dem Kopfkino vorbehalten? Fällt das Safewort? Geht es danach weiter (weil ein Safewort kein Abturner sein muss)? Wie sieht die Aftercare aus? Was lernen sie fürs nächste Mal?