Geht es in Veljanovs Song „Nie Mehr“ um Mazedonien?
Als großer Deine-Lakaien- und Veljanov-Fan kenne ich natürlich den Song „Nie Mehr“. Ich höre dieses Lied schon so ziemlich lange, aber neulich bin ich bei den Lyrics ein wenig stutzig geworden. Kann es sein, dass „Nie Mehr“ nicht nur ein Schluss-mach-Song ist, sondern es auch um Veljanovs persönlichen Abschied von Mazedonien geht?
So abwegig ist die Idee nicht, da der Song auf dem 2008 veröffentlichten Album „Porta Macedonia“ erschienen ist. Auf diesem Album wendet sich der Deutsch-Mazedonier Veljanov seinen Wurzeln zu und referenziert in mehreren Songs mazedonische Folklore und Rockmusik. Er arbeitet mit Goran Trajkoski zusammen, einer Legende des mazedonischen Goth-Rocks, und hat meherere Stücke von Trajkoskis Band MIZAR entweder zitiert oder neu interpretiert.
Aber was hat das mit „Nie Mehr“ zu tun? Es kann natürlich sein, dass ich zu viel reininterpretiere. Aber das macht nichts: Verschiedene Interpretationen und Spielereien mit Songlyrics müssen schließlich erlaubt sein. Was spricht also dafür, dass es bei „Nie Mehr“ (auch) um Mazedonien geht?
Zum Beispiel die Songzeile: „Nur Spott als Lohn. Ausgelacht in deinem Namen.“ Als Postmigrant, der Veljanov ja ist, wirst du in deinem Herkunftsland oft nicht ernst genommen. Für ein Liebeslied ist es eine sehr ungewöhnliche Formulierung „in deinem Namen“ ausgelacht zu werden. Vielleicht geht es also gar nicht um eine Beziehung?
„Bilder wie aus zweiter Hand“ ist auch eine potentiell doppeldeutige Formulierung. „Wie aus zweiter Hand“ fühlen sich all meine Bilder von Mazedonien an, denn ich habe dort nie gelebt. Die Bilder, die ich habe, sind oft Projektionen, romantisch verzerrte Erinnerungen oder das, was ich über die mediale Berichterstattung zu Mazedonien mitbekomme.
„Ich liebte blasse Lügen aus dem Land der Mittelmäßigkeit“ könnte die postmigrantische Desillusionierung beschreiben, wenn man feststellt, dass man im eigenen Herkunfstland nicht wirklich willkommen ist. „Blasse Lügen“ könnten auch für Nationalismus stehen oder für die romantisierten Vorstellungen, die man mit einem Land verband. Tatsächlich war die Formulierung „Land der Mittelmäßigkeit“ die Zeile, die mich als erstes stutzig gemacht hat: Keiner klagt so sehr über Mazedonien wie Mazedonier*innen und „Land der Mittelmäßigkeit“ könnte aus dem Mund jedes mazedonischen Migranten kommen, den ich je kennengelernt habe.
„Bleib wo dir die Sonne auf ewig scheint.“ Auf der mazedonischen Nationalflagge ist eine Sonne zu sehen. Die Sonne ist das nationale Symbol Mazedoniens. Vielleicht lehne ich mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich sage, dass hier ein Zusammmenhang bestehen könnte. Schließlich geht es immer noch um das Album „Porta Macedonia“ und Veljanov hat sogar in einigen der Pressefotos mit dem Symbol der Sonne gespielt.
„Streich ihn aus, meinen Namen, streich ihn aus für immer.“ So etwas habe ich noch nie in einem Schluss-mach-Song gehört und das hat mich irritiert. An einem Namen hängt viel Identität, wie in einigen Fällen die ethnische. Natürlich könnte es auch nur um Ehe und den Familiennamen gehen. Meiner Meinung nach ist „Nie Mehr“ aber ein ziemlich weirder Schluss-mach-Song – wenn man sich den Songtext genauer anschaut. Die Bilder und Metaphern passen nicht so ganz zusammen. Wenn Veljanov einfach einen Schluss-mach-Song wollte, hätte er ihn auch anders und in sich stimmig schreiben können.
Stelle ich mir stattdessen vor, dass es um Mazedonien geht, sehe ich einen Menschen, der voll Hoffnung und Erwartung in das Herkunftsland seiner Eltern reist und dort versucht ein Gefühl von Heimat und Zugehörigkeit zu finden. Doch er wird nur ausgelacht. Er liegt wach, grübelt und ist bitter, weil er die „blassen Lügen“ geglaubt hat. Die romantisierten Bilder „wie aus zweiter Hand“ entpuppen sich als falsch. Er will sich nie mehr nach diesem Teil seiner Identität sehnen, will nichts mehr mit diesem Land zu tun haben und würde am liebsten seinen Namen, an dem seine ethnische Zugehörigkeit hängt, ausstreichen.
Und selbst, wenn ich völlig falsch liege, so hatte ich immerhin ein bisschen Spaß mit den Lyrics. ¯\_(ツ)_/¯
Dieser Beitrag war ursprünglich ein Twitter-Thread, den ich für meinen Blog redigiert und in Teilen umgeschrieben sowie verlängert habe. Den Twitter-Thread findet ihr hier.