Panel Talk: Coming-Out & Inviting-In

Panel Talk: Coming-Out & Inviting-In

26. Januar 2023 0 Von Herzbrille
Zuher Jazmati, Dr Michaela Dudley, ich, Duc (v. l. n. r.)

Ich hatte die Ehre, gemeinsam mit Zuher Jazmati (BBQ-Podcast), Dr. Michaela Dudley und TikTok-Creator Duc über das Konzept Inviting-In als Alternative zum Coming-Out aus postmigrantischer Perspektive zu sprechen. Der Panel-Talk wurde aufgezeichnet: Hier stelle ich das Video vor und lasse den Abend Revue passieren.

Ich habe mich sehr über die Einladung zum Panel-Talk gefreut. Es gab bisher nicht so viele Gelegenheiten für mich, öffentlich über postmigrantische Identitätskonflikte und ihre Überschneidung mit Queerness und Bisexualität zu sprechen. Wir haben das Konzept Inviting-In als Alternative zum Coming-Out diskutiert. Beide Konzepte sind sich im Grund sehr ähnlich, doch ein Unterschied ist sehr entscheidend: Das Coming-Out hat oftmals eine Dynamik, bei der eine queere Person um Vergebung bittet und sich erklärt, um in die Familie oder das Arbeitsumfeld reintegriert zu werden. Beim Inviting-In liegt der Fokus auf der Selbstbestimmung und die queere Person entscheidet selbst, wem sie sich offenbart.

Als Postmigrantin finde ich es unangenehm, auf der einen Seite gegen den Integrationszwang zu kämpfen und mich auf der anderen Seite, wenn es um mein queeres Leben geht, bei einem Coming-Out zu erklären und um Vergebung zu bitten. In diesem Kontext bin ich darauf eingegangen, wie es sich anfühlt zwischen den Welten zu sein: In mir leben zwei Personen, die Balkan-Paula und die queere Paula. Sie bewegen sich in unterschiedlichen Kulturen, umgeben sich mit unterschiedlichen Menschen, sprechen verschiedene Sprachen und fühlen sich in beiden Umgebungen unvollständig oder sogar im Konflikt miteinander. Während ich in diasporischen Spaces oft das Gefühl habe, einen Teil von mir – meine Beziehung und meinen queeren Aktivismus, verstecken oder zumindest im Hintergrund halten zu müssen, bekomme ich in den mehrheitsdeutsch-dominierten LGBTIQ*-Spaces oft Ressentiments gegen Migrant*innen und (Süd-)Osteuropäer*innen zu spüren: Balkan Queers existieren in dieser Welt oftmals nur als Opfer, um das Narrativ des rückständigen Ostens zu bedienen. Den inneren Druck, der durch diese Zerrissenheit entsteht, können mehrheitsdeutsche Menschen meist nicht nachvollziehen. Das war auch eine gute Gelegenheit, um im Panel-Talk auf Themen wie Homonationalismus, Balkanismus und Antislawismus (in der queeren Community) einzugehen.

Wir haben außerdem hinterfragt, ob Coming-Outs wirklich so ein großes, emanzipatorisches Potenzial aufweisen, wie oft behauptet wird. Hier habe ich auch meine Erfahrungen als Bisexuelle einfließen lassen. Ich bin darauf eingegangen, wie gerade für Bi+ Menschen das Coming-Out nie abgeschlossen ist, da bi- und pansexuellen Menschen oft nicht geglaubt wird und ihre sexuelle Orientierung auch nicht an ihrer aktuellen Beziehung abgelesen werden kann: Egal mit wem wir zusammen sind, wenn wir als bi+ sichtbar sein wollen, müssen wir uns ständig outen und ständig erklären.

Danke an Fabio Wasilewski, Miles und den LSVD Berlin-Brandenburg für die Einladung und danke an Zuher, Michaela und Duc für den spannenden und berührenden Abend. <3

Notiz zur Sprache
Eine Sache ist mir noch wichtig zu betonen: Ich bin weiß, weshalb ich die Begriffe „postmigrantisch“ oder „migrantisiert“ als Gegenstück zu „mehrheitsdeutsch“ verwendet hab. Mehrheitsdeutsch beschreibt Angehörige der weißen christlich geprägten Bevölkerungsmehrheit ohne Migrationshintergrund. Nach dieser Definition bin ich nicht mehrheitsdeutsch, aber ich bin trotzdem weiß. Im Panel habe ich diese Formulierung gewählt, um die mehrheitsdeutsche Norm zu benennen ohne dabei gleichzeitig meine weißen Privilegien unsichtbar zu machen.

Beschreibung:

Panel Talk: Coming-Out & Inviting-In – Queere Emanzipationskonzepte in der postmigrantischen Gesellschaft

Dem »Coming Out« liegt die Erzählung des emanzipatorischen Befreiungsschlags inne. Für viele trifft das zu, jedoch nicht für alle. Das Coming Out kann mit dem Verlust von sozialen Absicherungssystemen verbunden sein und somit einen verlustreichen biographischen Einschnitt bedeuten. Gegenwärtig gewinnt das Konzept des »Inviting In« an Aufmerksamkeit. In diesem entscheiden Betroffene selbst, wem sie sich outen und behalten dadurch ihre Selbstbestimmung. Unsere Panelist*innen werden die gesellschaftlichen Voraussetzungen und Maßgaben dieser Konzepte diskutiert und etablierte Emanzipationsideale in der postmigrantischen Gesellschaft hinterfragt.

Moderation:
• Zuher Jazmati (@xanax_attax) ist die Hälfte des BlackBrownQueeren Podcasts (@bbq.podcast) und für den Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (@rechte_gewalt) tätig.

Panelist*innen:
• Dr. Michaela Dudley (@michaela.dudley_official) ist Queerfeministin mit afroamerikanischen Wurzeln. Ihre Berufsbezeichnungen umfassen Publizistin, Kabarettistin, Diversity-Expertin und Juristin (Juris Dr., US).
• Duc (@diehuepsche) ist queere*r Content Creator*in und Tiktok phenomenon. Duc verpackt queere Themen auf eine humoristische Weise und nimmt dabei gleich 137k Follower*innen mit.
• Paula Balov (@herzchenbrille) ist Redakteurin und Journalistin (u.a. SIEGESSÄULE, Neues Deutschland). Sie schreibt u.a. über die LGBTIQA* Community in Südosteuropa, engagiert sich als Bi+ Aktivistin bei BiBerlin e.V. und BiNe – Bisexuelles Netzwerk e.V. und beschäftigt sich mit post(ost)migrantischen Themen.

Gefördert durch die Landestelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung (LADS). Mit freundlicher Unterstützung vom Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg im Rahmen des Cross Kultur Festivals 2022 – Festival der Vielfalt. 09.12.2022.
Veranstaltungsort: 20:30 Uhr, Prinz Eisenherz, Motzstraße 23, 10777 Berlin.

MILES: berlin.lsvd.de/projekte/miles