Hetepetete (Kurzfilm)

Hetepetete (Kurzfilm)

24. Mai 2014 0 Von Herzbrille

Reflexion über meinen Kurzfilm „Hetepetete“
(gedreht: April 2012, Internationales Kino Kabaret Dresden)

Das ist mein erster politischer Film. Er ist im Kino Kabaret in Dresden entstanden, es wurde wie immer viel improvisiert, doch dank des großen Teams ging technisch alles gut über die Bühne.

Dennoch würde ich den Film heute anders machen als vor zwei Jahren.
Vor etwa zwei Jahren habe ich mich durch die Uni und meinen neuen Freundeskreis politisiert und für Diskriminierungsformen sensibilisiert, mich viel mit feministischer Theorie befasst und bin irgendwann bei Queerfeminismus angelangt. Ein zentraler Begriff der Queer-Theorie ist Heteronormativität und genau die möchte ich in meinem Film angreifen.
Heteronormativität beschreibt eine Gesellschaft, in der heterosexuelles Begehren als Norm und Homosexualität als Abweichung gehandhabt wird. Gestützt wird diese Norm durch beispielsweise biologistische Ansätze (in denen Sexualität auf Fortpflanzung beschränkt wird) und manifestiert sich im Alltag, in Kunst und Kultur… in eigentlich allen Lebensbereichen.

Der Begriff Heteronormativität geht aber noch weiter und beschreibt ein binäres Geschlechtermodell, in dem das biologische Geschlecht (sex) mit der Geschlechtsidentität, die dem biologischen Geschlecht zugeordnet wird (gender) zusammenpassen muss und woraus sich das Begehren ableitet (desire). Plump ausgedrückt: Die Norm ist, dass es Menschen mit Penissen gibt, die sich als Männer definieren und Frauen begehren und jene sind Menschen mit Vaginas, die sich als Frauen definieren und Männer begehren. Dieses Konstrukt heißt heteronormative Matrix.

Nicht nur Homosexuelle und Trans*menschen fallen aus der heteronormativen Matrix raus, auch Intersexuelle, Bisexuelle, genderqueere, genderfluide Menschen, asexuelle Menschen (denn sexuelles Begehren zu haben ist auch eine Norm) oder Menschen, die in offenen oder polyamourösen Beziehungen leben, denn mit der Heteronormativität geht auch die Vorstellung der romantischen Zweierbeziehung einher. Ein gutes Beispiel dafür, wie Heteronormativität funktioniert ist, wenn Menschen aus einer normativen Sicht versuchen Homosexualität zu verstehen und ein lesbisches Pärchen fragen, wer von ihnen denn der Mann in der Beziehung sei.

In dem Film wollten wir, ich habe das Drehbuch mit meiner Schwester geschrieben, den Fokus auf den Alltag und alltäglichen Bullshit legen. Also alltägliche Fragen und Kommentare als absurd entlarven, indem sie in einer homonormativen Welt Heteros zu hören bekommen. Hoffentlich können wir dadurch einen Denkprozess auslösen.

Neben ignoranten Fragen kommen gut gemeinte Kommentare hinzu, wie „Heteros können schon auch kreativ sein” oder „Wie süß, dass sie sich das in der Öffentlichkeit trauen.” Damit wollen wir darauf hinweisen: Das Gegenteil von gut ist gut gemeint und wer seine normative Weltsicht auf Queer projiziert, kann nicht wirklich hilfreich sein, sondern diskriminiert eher unabsichtlich (und ist im schlimmsten Fall beleidigt, wenn man sie_ihn darauf hinweist). Außerdem wird „hetero” oder „Hete” als Schimpfwort verwendet, Heteros werden homogenisiert und kriegen ein paar Klischees angedichtet. Nur fair, oder?

Das Thema Polyamorie wird auch kurz angeschnitten und zwar ist der Satz „Wozu denn, führ doch ne normale Beziehung!” ein wortwörtliches Zitat, welches ich hören durfte, als ich einer Freundin glücklich, frisch verliebt und freudestrahelnd erzählt habe, dass ich nun in einer Beziehung bin und diese offen/polyamoröus ist. Na, danke! Der Kommentar war nicht sehr geil, denn ich war ohnehin mit dem Thema sehr unsicher. Vielleicht hätte ich mehr Selbstbewusstsein entwickeln können, wenn mir nicht so viele Leute ständig erklären müssten, dass polyamouröse Menschen sich nur nicht genug lieben… oder so Weisheiten wie: Wer nicht eifersüchtig ist, ist nicht richtig verliebt.

Nach dem Kino Kabaret ist mir aufgefallen, dass meine Kurzfilme vorher ziemlich hetero waren und dass es sicher komisch kommt, dass ich nach drei Kurzfilmen über Heteropärchen mit „Hetepetete” ankomme. Ich muss dazu sagen, dass bei mir in der Zeit als der Film entstanden ist viele neue Denkprozesse stattfanden, ich viel dekonstruiert habe und mit dem Film auch mein eigenes heteronormatives Denken über Bord geworfen habe.

Mir fiel plötzlich ein, dass ich bei „Ace of Hearts” vor allem ein Heteropärchen sehen wollte, damit es sofort als Liebespaar erkennbar ist. Und dann musste ich an Schreibwerkstätten denken, bei denen diskutiert wurde, dass es ja keinen Grund gäbe von einem homosexuellen Paar zu schreiben, ich also lieber bei Heteros bleiben sollte. Über Heteros zu schreiben braucht es also anscheinend keinen Grund. Die Liste solcher Erinnerungen ist lang und ich musste sie erstmal analysieren und all diesen Quatsch systematisch loswerden. (Was nicht heißt, dass dieser Prozess abgeschlossen ist.)

In der Postproduktion fiel mir auf, dass ich das Thema Heteronormativität nicht konsequent genug durchgezogen habe, denn es kommen nur sexuelle Orientierung und Polyamorie als Themen vor, Gender als wesentlicher Bestandteil der heteronormativen Matrix hingegen überhaupt nicht! Ich sitze zwar mit Schnurrbart und Korsett in der Bar in der letzten Szene, allerdings habe ich keine Funktion außer als Regiesseurin kurz in meinem eigenen Film aufzutauchen, ne hübsche Überblendung vom Plakat im letzten Bild zu sein und zu zeigen, dass es Trans*menschen und genderqueere Menschen auch gibt. Inzwischen habe ich ein ganz großes Problem mit diesem „auch”, denn das ist schon eine Form der Marginalisierung.

Vielleicht hätte aber eine stärkere Thematisierung von Transgender den Rahmen gesprengt und ich hätte keine Kapazitäten gehabt das in einen No-Budget-48-Stunden-Kino-Kabaret-Film so unterzubringen, dass es dem Thema wirklich gerecht wird. Somit entlarvt der Film Heteronormativität in Bezug auf sexuelle Orientierung und Beziehungsformen ohne das binäre Geschlechtermodell anzugreifen. Aber vielleicht ist dafür ja im nächsten Film Platz!


„Hetepetete“ auf Vimeo.