Queer As Folk und Bi-Erasure

Queer As Folk und Bi-Erasure

12. April 2016 0 Von Herzbrille

„Queer as Folk“ ist eine bekannte Serie, die sich mit queer-spezifischen Themen auseinandersetzt. Während sie viel für die Sichtbarkeit und Akzeptanz von Schwulen und Lesben tut und sich an sehr ernste Themen wie HIV/Aids und Drogenmissbrauch rantraut, scheinen Bisexuelle in diesem Universum nicht zu existieren.

Eine Straße mit aufgemalten Streifen in Regenbogenfarben
Eine Straße mit aufgemalten Streifen in Regenbogenfarben, Bild: Jasmin Sessler

Das muss man erst mal schaffen: Vier Handlungsstränge, in denen sich schwule und lesbische Figuren nicht monosexuell verhalten und Bisexualität wird nicht ein mal erwähnt. Fast so als gäbe es sie nicht: Diese Unsichtbarmachung heißt Bi-Erasure. Manchmal wird den Charakteren, die nicht-monosexuelle Erfahrungen machen, sogar unterstellt falsch, heuchlerisch oder feige zu sein. Das ist nichts anderes als Bi-Feindlichkeit.

Achtung: Spoiler bis Staffel 4.

1. Hunter

Hunter ist ein Teenager, der in der Vergangenheit für Geld Sex mit Männern hatte. Im Laufe der Serie verliebt er sich in ein Mädchen und wird sofort darauf als hetero abgestempelt. Sofort scheint allen klar zu sein: Sex mit Männern war nur Arbeit für ihn. Dabei hatte er sich auch außerhalb des Sexwork-Kontexts an Brian, einen der Hauptcharaktere, rangeschmissen.

Bisexualität wird nicht erwähnt, nicht als mögliche sexuelle Orientierung angeführt. Hunters neue Pflegeeltern (das schwule Paar Michael und Ben) reden in einer Szene darüber, dass ihr Sohn „ja jetzt hetero“ sei. Ein Satz wie „Wer weiß, vielleicht ist er ja bi?“ hätte ausgereicht, um dieses bifeindliche Klischee zu brechen.

2. Lindsay

Lindsay ist mit Melanie seit neun Jahren zusammen. Sie ist Galeristin und betrügt Melanie im Laufe der Serie mit dem Künstler, dessen Ausstellung sie organisiert. Als das heraus kommt, betont Melanie, dass sie sich nicht ausgesucht hat lesbisch zu sein. Damit wirft sie Lindsay vor, sie hätte es sich ausgesucht. Nach neun Jahren Beziehung, Heirat und zwei Kindern ist ihr Vorwurf ernsthaft: Du bist eine Fake-Lesbe.

Lindsay ist die einzige Figur, die klar äußert, dass sie nicht-monosexuelle Tendenzen hat. Sie war früher in Brian verliebt, was Melanie auch weiß. Wenn die Serie also schon zeigt: Sexualität kann fluide sein, könnte sie den Begriff „Bisexualität“ ZUMINDEST mal droppen, oder?

3. Drew

Drew ist Profi-Footballer und mit einer Frau verlobt. Er beginnt eine Affäre mit Emmett. Auf die Frage, warum er sich nicht outet, antwortet Drew unter anderem, dass er seine Frau liebt. Die Serie zielt darauf ab zu zeigen, dass Drew eine Lüge lebt. Die Möglichkeit, dass er seine Frau tatsächlich liebt – auch sexuell, gibt es in dieser Welt nicht.

Ich will nicht sagen, dass Drew bisexuell ist. Aber die Serie stellt Drews Situation so dar, als gäbe es nur eine Erklärung für sie: Er fürchtet die Konsequenzen des schwulen Coming-Outs. Das erweckt den Eindruck, dass es unwahrscheinlich und widersprüchlich ist sich gleichzeitig zu Menschen mehr als eines Geschlechts hingezogen zu fühlen.

4. Justin

Justin hat eine beste Freundin: Daphne. Sie war die erste Person, vor der er sich als schwul geoutet hat. Irgendwann fragt Daphne Justin, ob er mit ihr schlafen würde, da sie sich für ihr „erstes Mal“ jemanden aussuchen will, dem sie vertraut. Justin sagt Ja, aber betont, dass keine romantischen Gefühle im Spiel sein dürfen. Nach der gemeinsamen Nacht entwickelt Daphne Gefühle für Justin. Nun geht es darum wie die beiden mit der Spannung umgehen.

Problematisch ist nicht die Handlung, sondern die völlige Abwesenheit von Nicht-Monosexualität als Realität, Identität oder Option – während sich die Charaktere gleichzeitig nicht-monosexuell verhalten.

Dabei wäre es so einfach Bi-Repräsentation in diesen Plot einzubauen: Angenommen Daphne entwickelt die Hoffnung, dass Justin bisexuell ist, weil sie sich Chancen ausrechnet. Sie würde ihm das früher oder später mitteilen. Justin würde klar sagen, dass er schwul ist, aber vielleicht würde ihn das Gespräch weiter beschäftigen. Wahrscheinlich würde er im queeren Diner mit seinen Freund*innen darüber reden. Eine bisexuelle Person könnte das Gespräch zufällig mithören und ihre*seine Perspektive auf das Thema geben – voilà.

Die EINZIGE Szene, in der Bisexualität erwähnt wird, ist folgende: Emmett ist auf einer Fetischparty und trifft einen dominanten Mann. Der Dom sagt, während sie schon am Gange sind: „Lass ma‘ beeilen, ich hab morgen früh ein Brautpaar!“ Daraufhin fragt Emmett: „Also, bist du bi?“ Und der Dom antwortet: „Nee, Bestatter!“ (Der Dialog ist paraphrasiert.) Diese Szene entlarvt, was Bisexualität für bifeindliche Queers ist: Ein Witz. Danke für nichts.


Dieser Beitrag war ursprünglich ein Twitter-Thread, den ich für meinen Blog redigiert und in Teilen umgeschrieben sowie verlängert habe. Den Twitter-Thread findet ihr hier.