Das polyamouröse Potential von Love Triangles

Das polyamouröse Potential von Love Triangles

16. Mai 2019 0 Von Herzbrille
Abstraktes Bild mit Dreiecken
Abstraktes Bild mit Dreiecken, Bild: Dimitris Christou

Ein Love Triangle, deutsch: Dreiecksgeschichte, ist ein narratives Element, bei dem ein Charakter romantisches Interesse an zwei Personen hat und sich in einer Zwickmühle befindet. Berühmte Love-Triangle-Konstellationen sind Elizabeth, Wickham und Admiral Darcy bei „Stolz und Vorurteil“, Westley, Buttercup und Prince Humperdinck bei „The Princess Bride“, Katniss, Gale und Peeta bei „Hunger Games“ oder natürlich Bella, Edward und Jacob bei „Twilight“.

Love Triangles sind beliebt, weil sie viel Konflikt produzieren und eine gute Geschichte braucht vor allem Konflikt, Konflikt, Konflikt… es geht um Untreue, Eifersucht, Rivalität, Verzicht, Entscheidungsnot – das Drama ist vorprogrammiert. Dreiecksgeschichten werden aber schnell klischeehaft und langweilig. Ich persönlich muss meist die Augen rollen, wenn mir wieder ein Love Triangle begegnet.

Während Dreiecksgeschichten beliebt sind, werden tatsächliche Dreiecksbeziehungen oder polyamouröse Beziehungen in einer Dreierkonstellation, ziemlich selten gezeigt. Das liegt daran, dass polyamouröse Repräsentation im Film und in der Literatur generell sehr dünn ausfällt – Polyams sind eine sexuelle Minderheit. Ein paar Filme gibt es aber schon, die mit dem Klischee des Love Triangles spielen und über den monogamen Tellerrand schauen, z. B. „Drei“ von Tom Tykwer und „Die Poetin“ von Bruno Barreto und Matthew Chapman.

Ich glaube, viele Autor*innen wissen einfach nicht, wie sie polyamouröse Beziehungsprobleme schreiben sollen. Oder sie denken, bei den Polyams sei alles harmonisch – schließlich gibt es hier keinen Betrug und die Person in der Mitte muss sich nicht entscheiden. Dabei unterschätzen Autor*innen Polyamorie und verschenken das ganze schöne Potential für Konflikte und Charakterentwicklung!

Jane, the Virgin meets polyamory

Ich spiele mal so einen möglichen Plot durch, am Beispiel von „Jane, the Virgin“ und dem Love Triangle zwischen Jane, Michael und Rafael. Die Geschichte ist irgendwo zwischen Staffel 2 und Staffel 3 anzusiedeln. Los geht’s!

Jane liebt sowohl Rafael als auch Michael und nach viel Kopfzerbrechen kommt ihr ein ungewöhnlicher Gedanke: Warum sich überhaupt entscheiden? Das finden die beiden Jungs befremdlich. Aber Rafael hatte selbst schon mit dem Gedanken gespielt die Beziehung zu öffnen, weil er durchaus an Sexualität und Nähe mit mehreren Menschen interessiert ist. Er hatte sich nur nicht getraut das zu äußern. Rafael lässt sich darauf ein. Michael ist nicht überzeugt, aber möchte der Idee für die Liebe eine Chance geben.

Nun zerbrechen sich Jane, Rafael und Michael den Kopf, wie sie ihren Familien die Dreieckskonstellation erklären wollen. Sie bekommen Gegenwind, vor allem von der sehr katholischen Alba, Janes Großmutter. Das ist eine tolle Gelegenheit für Jane sich vor der besorgten Familie zu behaupten.

Michael ist mit der Veränderung überfordert. Rafael ist zwar optimistisch und Polyamorie fühlt sich grundsätzlich nach der richtigen Entscheidung an, aber auch er ist verunsichert und eifersüchtig. Die frühere Rivalität zwischen den Metamours eskaliert (Metamours sind die anderen Partner*innen eines Partners). Doch reasonable Jane setzt beide an einen runden Tisch mit dem Ziel ihnen die Sicherheit zu geben, die sie sich wünschen: Sie macht eine komplexe Kalender-Übersicht mit Dates, besonderen Ritualen und bunten Farben. Michael ist leider immer noch nicht ruhiger.

Jane hat eine Lesung in einer anderen Stadt und verreist für ein paar Tage. Hier ist der Krimiplot praktisch: Michael ist Detektiv und Rafael Zeuge in einem Fall – sie müssen zusammenarbeiten, während Jane weg ist. Dabei stellen sie fest, dass sie ein gutes Team sind. In einem privaten Moment bonden sie als Metamours.

Während der Lesungsreise entdeckt Jane ihre Bisexualität und hat einen Crush auf eine Verlegerin. Nach einer gemeinsamen Nacht überkommt Jane Panik: Die Beziehung ist zwar offen, aber sie hat mit Michael und Rafael noch nicht darüber gesprochen, ob außer den beiden noch andere Menschen dazu kommen können. Sie ruft ihre Boyfriends an und gesteht die neue Liebschaft.

Der arme Michael hatte gerade erst seine Ruhe gefunden und dann das! Er lässt sich halbherzig auf ein One-Night-Stand ein und bereut es hinterher. Als das herauskommt, ist auch Jane unglücklich damit, dass Michael einen One-Night-Stand hatte. Sie versucht ihre Eifersucht zu überspielen – mit wenig Erfolg. Michael sucht derweil Rat bei Rafael. Er versteht sich ja jetzt gut mit ihm und Rafael hat Verständnis für Michael: Schließlich ist das alles auch für ihn neu. Das ist der Beginn einer Bromance. Apropos Bromance: Rogelio, Janes Vater, mag sowohl Michael als auch Rafael und ist froh, dass er sich zwischen den beiden nicht entscheiden muss. Es wird eine Dreiecks-Bromance!

Bei diesen Spielerein mit dem Plot sind Fragen wie: „Gemeinsame Wohnung? Wie erklären wir es den Kindern? Wer schläft in welchem Bett?“ noch gar nicht enthalten. Ich könnte ewig so weitermachen… Du bist Autor*in und suchst nach einem Thema mit Konfliktpotential? Vergiss die Love Triangles, versuch’s mit Polyamorie! Und falls du die polyamouröse Telenovela schreibst, auf die ich sehnsüchtig warte: Eine Zuschauerin hast du sicher! 😉


Dieser Beitrag war ursprünglich ein Twitter-Thread, den ich für meinen Blog redigiert und in Teilen umgeschrieben sowie verlängert habe. Den Twitter-Thread findet ihr hier.