Erklärvideo über Bifeindlichkeit

Erklärvideo über Bifeindlichkeit

19. Mai 2021 0 Von Herzbrille

Hintergründe und Gedanken zu meinem Video „Was ist Bifeindlichkeit?“ für den IDAHOBITA 2021.

Bifeindlichkeit wird oft nicht ernstgenommen – selbst am IDAHOBITA 2021 haben einige queere Organisationen das „B“ weggelassen. Dahinter verbirgt sich nicht selten Unwissen. Aus diesem Grund habe ich ein Video erstellt, in dem ich erkläre, was Bifeindlichkeit alles ausmacht und warum es bi+spezifischen Aktivismus braucht.

Zum diesjährigen IDAHOBITA habe ich ein Video über Bifeindlichkeit gemacht. Anlass war neben dem Aktionstag auch diese Pressemitteilung der Bi+Community, initiiert vom Verein BiBerlin. Sie war eine Reaktion darauf, dass unterschiedliche queere Organisationen veraltete Schreibweisen wie „IDAHOT“ oder „IDAHIT“ verwendet haben. Das Schreiben erklärt sehr gut, warum das B ins Akronym gehört und warum Bisexuelle nicht automatisch von Aktionen gegen Homofeindlichkeit profitieren.

Das Thema ist ein wunder Punkt für mich, weil ich es sehr ermüdend finde immer wieder erklären zu müssen, dass Bifeindlichkeit eine ernstes Sache ist. Ein ernste Sache und nicht einfach nur ein paar Klischees. Mich nervt es inzwischen sogar, wenn Bi+Aktivist*innen zuerst über Klischees und Vorurteile reden, wenn sie nach Bifeindlichkeit gefragt werden. Ich kann nachvollziehen, warum sie das tun: Die Klischees sind sehr greifbar und leider auch gängig. Sie sind jedoch nur ein Symptom von Bifeindlichkeit. Und als Bi+Aktivist*innen kämpfen wir nicht nur gegen das Symptom der Diskriminierung, sondern gegen die Diskriminierung als Ganze. Diese scheinen jedoch viele Menschen, auch in der LGBTIQ-Community, nicht zu verstehen oder ernstzunehmen. Andernfalls würden sie gar nicht auf die Idee kommen das B zu streichen.

Deshalb habe ich das Erklärvideo gemacht und hierfür einen etwas anderen Ansatz gewählt als sonst: Ich habe mich versucht an alle Fragen und Kommentare von queeren, nicht bi+ Menschen zu erinnern, die mir gegenüber hinterfragt haben, wozu es Bi+Aktivismus braucht. Was alle Aussagen gemeinsam hatten war die Vorstellung, dass Bisexuelle ja automatisch von schwul-lesbischem Aktivismus profitieren: Wenn Schwule und Lesben heiraten dürfen, dann dürfen Bisexuelle ihre gleichgeschlechtlichen Partner*innen auch heiraten. Wenn das Adoptionsrecht zugunsten lesbischer Eltern reformiert wird, profitieren auch bisexuelle Frauen davon. Das stimmt zwar, ist jedoch nur die halbe Wahrheit – genau hier ist der blinde Fleck!

Der andere Aspekt, den all die Kommentare und Fragen gemeinsam hatten war die Idee, dass Bisexuelle nur dann von Queerfeindlichkeit betroffen sind, wenn sie sich in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung befinden. Wer so denkt, kann wahrscheinlich nicht nachvollziehen, warum sich Bisexuelle über ein entferntes B aufregen – ihre Probleme müssten sich nach der Logik ja kaum von den Belangen Homosexueller unterscheiden… und nur halb so schlimm sein.

Ich habe diese Denkansätze als Ausgangspunkte genommen, um aufzuzeigen, warum sie hinderlich sind, um Bifeindlichkeit wirklich zu verstehen. Damit wollte ich die Leute dort abholen, wo sie stehen. So ist mir hoffentlich gelungen zu vermitteln, was man alles übersieht, wenn man Bisexuelle als „halbe Heten“ wahrnimmt. Ich bin auf die Theorie von Kenji Yoshino eingegangen, um zu verdeutlichen, dass die Unsichtbarmachung von Bisexualität, also Bisexual Erasure, strukturell und in unserem westlichen Denken verankert ist – so tief, dass Yoshino das Phänomen als „epistemologischen Vertrag“ bezeichnet. Die Folgen, vor allem für die psychische Gesundheit, sind alles andere als harmlos, wie diverse Studien bestätigen. Hoffentlich habe ich Menschen begreifbar machen können, warum das Thema Gesundheit ein so zentrales für die Bi+Community ist.

Im Kontext von Bisexual Erasure war mir auch wichtig Brenda Howard zu erwähnen, von der ich erst 2019 im Rahmen des Berliner CSDs gehört habe. Wie kann es sein, dass eine Person, die „Mother of Pride“ genannt wird, so selten erwähnt und referenziert wird? Die Antwort: Bisexual Erasure. Der „Brenda Howard Award“ ist die erste Auszeichnung für queeres Engagement von einer großen US-amerikanischen LGBTIQ-Organisation, die nach einer bisexuellen Person benannt wurde. Eingeführt wurde der Preis im Jahr 2005 – dem Jahr, in dem Brenda Howard starb. Als ich das gelesen habe, musste ich mir ein Tränchen verdrücken. Einerseits ist es schön, dass eine bisexuelle Aktivistin auf diese Weise geehrt wird. Andererseits verdeutlicht das auch, wie selten Bisexuelle in der queeren Bewegung gesehen und gewürdigt werden.

Natürlich bin ich auch auf Bi+Misogynie eingegangen und habe dafür Shiri Eisner zitiert und Statistiken zu Gewalt gegen Bi+Frauen angerissen. (Mehr gibt’s hier). Dabei war mir auch wichtig zu betonen, dass die scheinbar höhere Sichtbarkeit von Bi+Frauen (verglichen mit Bi+Männern) nicht unbedingt etwas mit Akzeptanz zu tun hat, sondern vor allem auch mit Fetischisierung. Allgemein habe ich versucht so viele Punkte wie möglich aufzugreifen, die ich bereits in dem Blogpost mit dem Eisberg-Modell „Was ist Bifeindlichkeit?“ erwähnt habe.

Die Kirsche auf der Torte – oder vielmehr Torte auf der Kirsche 😉, waren natürlich die vielen tollen Videobotschaften von Berliner Bi+Aktivist*innen über Erfahrungen mit Bifeindlichkeit, Bisexual Erasure, Gewalt gegen Bi+Frauen und ja, auch all die nervigen Vorurteile, denn diese gehören leider dazu. Von dem Video gibt es auch eine kürzere Version, nur mit den Videobotschaften.

Der IDAHOBITA 2021 ist vorbei, doch das Video bleibt aktuell. Deshalb freue ich mich, wenn ihr es weiterhin teilt und empfiehlt. Wenn ihr Menschen in der queeren Community trefft, die nicht nachvollziehen können, warum es bi+spezifischen Aktivismus braucht oder, was Bifeindlichkeit eigentlich ausmacht, dann könnt ihr ihnen sehr gern dieses Video zeigen.


Quellen & Links zum Video

Bi+ Gesundheit:

Gewalt gegen Bi+Frauen: